Migranten sind nicht automatisch anfällig für Radikalisierung
Ein 26-jähriger Mann hat in Solingen drei Menschen getötet und acht weitere verletzt, was als mutmaßlich islamistischer Anschlag betrachtet wird. Laut einem Experten des Bundesamts für Migration (Bamf) kann Radikalisierung nicht allein auf soziale oder kulturelle Herkunft zurückgeführt werden, sondern ist vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Radikalisierte Menschen öffnen sich aufgrund persönlicher Umstände, Lebenskrisen, Sinnkrisen und anderen Problemen extremistischen Gedanken, die ihnen eine vermeintlich einfache Erklärung bieten.
Lebenskrisen sind bei den meisten Menschen üblich, doch nicht alle sind in der Lage, sich vor extremistischem Gedankengut zu schützen. Menschen in solch schwierigen Zeiten sind anfällig für Strukturen, die ihnen eine vermeintliche Lösung und Ausweg bieten. Psychische Auffälligkeiten spielen laut Experten auch eine zunehmende Rolle bei der Radikalisierung, wie beispielsweise Traumata bei Geflüchteten. Der Radikalisierungsprozess beginnt mit einem neu definierten eigenen Verständnis des Islams, das sie als „Elite“ sehen und sich aufwerten wollen. Dieser Weg kann mit positiven Entwicklungen wie weniger Problemen einhergehen, aber letztendlich führt er zu Konflikten innerhalb des sozialen Umfelds.
Die Beratungsstelle Extremismus im Bamf existiert seit 2012 und bietet eine Hotline für Fälle von Radikalisierung an. Menschen können sich melden, wenn sie bei einer Person in ihrem Umfeld Anzeichen von Radikalisierung bemerken. In kritischeren Fällen versuchen die speziell geschulten Ausstiegsbegleiter, Lösungen zu finden und mit dem sozialen Umfeld ins Gespräch zu kommen. Die Beratungsstelle analysiert, wie sie am besten an die radikalisierte Person herankommen können und arbeitet mit Familie, Schule, Arbeitgeber und Freunden zusammen, um eine Lösung zu finden. Das Ziel ist es, Menschen zurückzugewinnen und eine negative Entwicklung zu stoppen.